Bereits seit Mitte März sieht man dieses Jahr die Echte Schlüsselblume (Primula veris) in voller Blüte. Sie steht in großen Mengen auf einer Wiese an der Fleher Brücke (Abb. 1) und auf einem rasigen Hügel bei der Glaskuppel im Botanischen Garten. Sie mag die eigene Gesellschaft, d.h. man trifft sie nie alleine an. Wie ihr wissenschaftlicher Name schon andeutet, gehört Primula veris zu den Schlüsselblumengewächsen (Primulaceae). Verwandte sind unter anderem der Gilbweiderich, das Pfennigkraut und was man eher nicht vermutet, das Alpenweilchen. In Deutschland sind vier Schlüsselblumenarten heimisch. Sie haben, bis auf die Mehlige Schlüsselblume, gelbe Blüten. Letztere blüht dagegen rot.
Die Echte Schlüsselblume ist u. a. unter den Namen Wiesen-Schlüsselblume, Arznei-Schlüsselblume oder Himmelsschlüssel geläufig. Für die Bezeichnung Schlüsselblume, die seit Jahrhunderten benutzt wird, gibt es verschiedene Interpretationen. Darunter die Ähnlichkeit des ganzen Blütenstandes mit einem Schlüssel, wobei die Blüten selbst den Schlüsselbart und der Stängel das Schlüsselrohr darstellen (Abb. 3, rechte Pflanze) oder durch die Ähnlichkeit der Blütendolde mit einem Schlüsselbund, wobei die einzelnen Blüten wohl die Schlüssel darstellen. Die Bezeichnung Himmelsschlüssel, die es bereits seit dem 12. Jhdt. gibt, steht im Zusammenhang mit Petrus und dessen Schlüssel zum Himmelreich.
Vorkommen
Die kalkliebende Echte Schlüsselblume kommt in weiten Teilen Europas und Vorderasiens auf lehmreichen und stickstoffarmen Böden vor. Lediglich den Süden der Mittelmeerländer und den äußersten Norden spart sie ganz aus. Im Tiefland, also auch bei uns, gefällt es ihr nicht sonderlich gut, sie kommt hier wenig bis gar nicht vor. In vielen Gegenden war sie die erste Pflanze des Jahres, die blühte. Daher der wissenschaftliche Name Primula.
Wo sie wächst, ist sie natürlicherweise auf trockenen, extensiv bewirtschafteten Wiesen, Waldrändern, oder im Wald auf Stellen, auf denen Bäume gefällt wurden, zu finden. An Wäldern bevorzugt sie helle, wenig bewirtschaftete Laubwälder. In Eichenwäldern unterschiedlicher Zusammensetzung und auf Halbtrockenrasen ist sie besonders gefährdet.
Was charakterisiert die Echte Schlüsselblume?
Sie ist eine ausdauernde Pflanze, kommt also jedes Jahr wieder. Den Winter übersteht sie, indem sie ein dickes, kurzes Rhizom bildet. Ihre Blühzeit ist hier mittlerweile von März bis Juni. Die Höhe der Pflanze beträgt 8 bis ca. 20 cm. Bis auf die Blüte ist sie meist überall flaumig behaart.
Die für Primeln typischen runzligen und welligen, ovalen Blätter befinden sich in einer grundständigen Rosette und gehen ziemlich abrupt in einen geflügelten Stiel über (Abb. 2). Die Blattunterseite ist heller als die Oberseite. Junge Blätter sind am Rand leicht zur Unterseite hin eingerollt (Abb. 3).
Die Blüten bilden eine Dolde mit bis zu 25 Blüten, die meist alle zur gleichen Seite „nicken“. Die Dolde geht von einem blattlosen Stängel ab (Abb. 3).
Die Blüten sind radiärsymmetrisch und haben 5 gelbe Blütenblätter, die in einer Röhre zusammengeführt werden. Die Röhre verschwindet fast vollständig in einem hellgrünen, etwas bauchigen Kelch. Er scheint nicht richtig zu passen und wirkt wie zu weite Stiefel am Bein. Dieser Umstand sowie ein orangenes Saftmal auf jedem Blütenblatt (Abb. 4) grenzen sie von ihrer Schwester, der Hohen Schlüsselblume (Primula elatior), ab. Außerdem duftet Primula veris. Manchmal wird man jedoch getäuscht, denn die drei gelben Arten bastardieren miteinander und dann mischen sich die Merkmale.
Die Blüten erhalten ihre gelbe Farbe durch Flavonoide. Die Saftmale entsenden Duftstoffe und sollen potentielle Bestäuber anlocken. Außerdem enthalten die Blüten Nektar. Die Staub- und Fruchtblätter sind kaum zu sehen, weil sie nicht aus der Kronröhre herausschauen. Entsprechend erfolgt die Bestäubung nur über langrüsselige Insekten, wie Hummeln oder Tagfalter.
Die Früchte sind Kapseln. Diese werden vom bleibenden Kelch eingeschlossen. Die Kapseln sind mit sogenannten Kapselzähnchen versehen. Wenn die Samen reif sind, öffnet sie sich durch die Zähnchen, fast wie ein Reißverschluss. Die sehr kleinen Samen enthalten Bläschen, damit sie vom Wind davongetragen werden können. Zum Keimen brauchen die Samen Licht und Kälte.
Bei passenden Bodenverhältnissen wächst Primula veris auch gut im Garten und kann hier recht vermehrungsfreudig sein. Wie weiter oben erwähnt, ist sie eben nicht gerne alleine. Die Blüten werden allerdings häufig, noch bevor sich die Blütenblätter richtig ausgebreitet haben, wahrscheinlich von Vögeln gefressen. Es bleiben dann nur die traurigen, bauchigen Kelche zurück. Die Pflanzen als Ganzes sind bei Raupen diverser Nachtfalter sowie dem Schlüsselblumen-Würfelfalter (Hamearis lucina) sehr beliebt.
Arzneilich genutzt werden vor allem die Blüten der Schlüsselblume. Extrakte aus ihnen werden bei Erkältungen mit Husten und Schnupfen gegen die Verschleimungen eingesetzt. Nebenwirkungen, wie Allergien oder Magenprobleme sind nicht auszuschließen. Auch wenn sie eine Arzneipflanze ist, sollte sie auf keinen Fall der Natur entnommen werden. Sie wird für diese Zwecke gezüchtet. Denn sie gilt nach dem Bundesnaturschutzgesetz als besonders geschützt und steht auf der Vorwarnliste.
Quellen:
R. Fitter, A. Fitter, M. Blamey, 2000: Pareys Blumenbuch, Parey Buchverlag Berlin, S. 184-185
Floraweb: https://www.floraweb.de/pflanzenarten/artenhome.xsql?suchnr=4570&
Text und Fotos: Brigitte Steinke – Biologin – NABU – 04/2021