Die Balz des Waldkauz

Er ruft schon im Januar

Der Waldkauz ist die häufigste Eulenart in Deutschland. Foto: Markus Gläßel/naturgucker.de
Der Waldkauz ist die häufigste Eulenart in Deutschland. Foto: Markus Gläßel/naturgucker.de

BIRDnet! Immer wenn es schaurig und dunkel wird im "Tatort" oder in anderen Krimis greifen die Nachvertoner in den Filmstudios zum gleichen Trick und suchen nach Nachtvogellauten. Manchmal ertönt, völlig falsch, das Geheul des tagaktiven arktischen Eistauchers, meist aber zieht man die richtige Klangdatei und es ertönt später aus den Empfangsgeräten in den bundesdeutschen Wohnzimmern das Geheul eines Waldkauzes. Wie kein anderer Vogel bringt der Waldkauz mit seinem Gesang die unheimliche Atmosphäre des dunklen, geheimnisvollen Waldes in die Wohnstube.

 

Häufigste Eule in Deutschland

Weltweit zählt man rund 150 Eulenarten, in Europa wohnen 13 verschiedene Eulenarten. In Deutschland haben wir es mit neun regelmäßig brütenden Arten zu tun: Uhu, Sumpf- und Waldohreule, Wald-, Stein-, Sperlings-, Raufußkauz, Schleiereule und sehr selten und nur im Bayerischen Wald der Habichtskauz. Der Waldkauz ist die häufigste Eulenart in Deutschland, wenngleich er nur selten mal zu sehen ist. Aber sein schauriger, heulender Gesang ist jetzt im Winter in allen Waldstücken, auch in größeren Parks und Gartensiedlungen zu hören. Immer müssen alte, das heißt große, Bäume in seinem Revier stehen.

Der Waldkauz besiedelt fast ganz Europa, mit Ausnahme von Island, Irland und dem Norden von Skandinavien. Der Waldkauz ist eine mittelgroße Eule etwas kleiner als ein Bussard und rundlicher von Gestalt. Sein Gefieder ist entweder rindengrau oder rostbraun gefärbt und erinnert an Baumrinde. Die graue Varietät ist häufiger als die braune. Das Weibchen ist mit rund 42 cm etwas größer - und mit etwa 400-650 g auch schwerer als das Männchen. Seine schwarzen Knopfaugen unterscheiden ihn von den anderen Käuzen und auch den Ohreulen.

 

Dieser Waldkauz ließ sich wochenlang in seinem Tagesversteck am Rande des Schwarzwaldes beobachten. Foto: Thomas Griesohn-Pflieger
Dieser Waldkauz ließ sich wochenlang in seinem Tagesversteck am Rande des Schwarzwaldes beobachten. Foto: Thomas Griesohn-Pflieger

An kalten Wintertagen kann man mit viel Glück Waldkäuze auch tagsüber in der Sonne sitzen sehen, gern auf Kaminen, aus denen Warmluft streicht. Solche Waldkauzstellen werden oft jahrelang, wahrscheinlich von immer dem gleichen Vogel beibehalten und kursieren unter den Vogelguckern, weil man hier oft zuverlässig und ohne Anstrengung die sonst oft versteckte Eule gut sehen kann. Ansonsten sind nämlich Waldkauzbeobachtungen bei Tageslicht sehr selten, es sei denn man entdeckt zufällig ein Tagesversteck des Kauzes in einem Baum oder überdachten Kamin. Eng an den Stamm gelehnt sind die Käuze in ihrem Rindentarngefieder kaum zu entdecken. Manchmal wird der Naturfreunde durch das Zetern und Warnen von Kleinvögeln, die einen Waldkauz entdeckt haben, auf den versteckten Jäger aufmerksam. Dieses Mobbing genannte Verhalten der kleinen Vögel richtet sich gegen das "Idealbild eines Räubers", das der Waldkauz abgibt und dass das intensive angeborene "Hassverhalten" der Kleinvögel, aber auch von Krähen, Möwen und anderen, auslöst.

Mehr als der Steinkauz oder gar Schleiereule ist der Waldkauz streng dämmerungs- und nachtaktiv. Er verlässt etwa zwanzig Minuten nach Sonnenuntergang sein Versteck, um auf die Jagd zu gehen und durchschnittlich 40 Minuten vor Sonnenaufgang endet seine Aktivität. In Zeiten großen Futterbedarfs, wenn die Jungen zahlreich und groß sind, beginnt er schon früher mit der Jagd.

 

Gut sehen, aber noch besser hören

Nach einem verbreitetem Aberglauben sind Eulen deswegen nachtaktiv, weil sie bei Tageslicht nicht sehen könnten ("tagblind"). Das Sehvermögen des Waldkauzes ist aber durch seine großen Augen sowohl nachts wie auch bei Tage sehr gut. Seine Augen sind wie bei allen Eulen starr nach vorne gerichtet. Dadurch ist das Gesichtsfeld relativ klein. Diese Einschränkung wird durch den beweglichen Kopf ausgeglichen, der um 270 Grand drehbar ist. So kann der Waldkauz über die rechte Schulter schauen, wenn er den Kopf nach links dreht.

 

Allerdings nutzt der Waldkauz wie viele Eulen weniger seine guten Augen als vielmehr sein hervorragendes Gehör zum Aufspüren seiner Beute. Er kann mit seinen empfindlichen Ohren nicht nur die Richtung, sondern auch die Entfernung seiner Beute wahrnehmen. Es sind vor allem zwei körperliche Anpassungen, die diese Meisterleistungen möglich machen. Sein großes rundes Gesicht ist durch einen Gesichtsschleier gekennzeichnet. Federn sind vom Schnabel an fast kreisrund nach außen weisend angeordnet. Sie lenken den Schall ähnlich einem Parabolspiegel nach außen. Dort erreichen sie die Ohren. Die Ohren sitzen links und rechts in unterschiedlicher Höhe am Kopf, sodass der Schall sie zu unterschiedlicher Zeit erreicht. Die winzige Zeit-Differenz wird vom Waldkauz genutzt um die Position, besser die Entfernung der Schallquelle zu "berechnen".

 

Andererseits vermeidet er selbst jeden Schall, der ihn seinen Beutetieren verraten könnte. Durch besondere Federn an den Flügelkanten ist sein Flug fast lautlos, vor allem fehlt ihm der kurzwellige Geräuschanteil bis in den Ultraschall, den seine Beutetiere besonders gut wahrnehmen können.

 

Allesjäger

Der Waldkauz ist ein sehr flexibler Jäger, der jede Beute, die er überwältigen kann, schlägt. Dementsprechend groß und variabel ist sein Beutespektrum, das Mäuse und andere Kleinsäuger, Sperlinge, Stare, Eichhörnchen, Jungkaninchen, Tauben, Maulwürfe, Ratten aber auch Frösche und Kröten umfasst. Auch Insekten, wie die großen Nachtfalter, werden erbeutet. Die unverdaulichen Reste wie Knochen, Haare, Federn werden im Magen zu rundlichen, filzigen Ballen zusammengepresst und wieder ausgewürgt. Die Untersuchung dieser sterilen, filzigen Gewölle und die Bestimmung der Bestandteile (vor allem Zähne, Knochen, Flügeldecken der Insekten) können nicht nur Informationen über die Nahrung des Kauzes geben, sondern sind auch aufschlussreich was die Insekten- oder Kleinsäugerfauna seines Reviers angeht. Manche Mäuseart wurde in einem bestimmten Gebiet zuerst in einem Eulengewölle gefunden Den Energiewert von vier Feldmäusen, etwa 60 bis 70 Gramm, benötigt ein gesunder Waldkauz am Tag.

 

Heulen vor Liebe

Jetzt im Winter beginnt die Balz bei den Waldkäuzen. Der allabendliche Gesang endet, wenn die Partner sich an einem gemeinsamen Treffpunkt einfinden. Neben dem Heulen des Männchens ist häufig auch Kreischen und Fauchen zu hören - was die ganze Vorführung für den unwissenden Zuhörer noch unheimlicher macht. Die Käuze müssen sich erst aneinander gewöhnen und ihre körperliche Distanz abbauen, der zudringliche Partner wird daher durch Kreischen und Fauchen abgewehrt. Im Laufe der Zeit gewöhnen sich die Partner aneinander und kraulen sich am dann auch gemeinsamen Ruheplatz gegenseitig das Gefieder. Haben sich zwei Partner gefunden, so bleiben sie ein Leben lang zusammen.

 

Auch beim Brutplatz flexibel

Ein klassischer Brutplatz in einer ausgefaulten Schwarzspechthöhle. Macnhmal brütet er sogar außerhalb von Höhlen in alten Krähen- oder Bussardnestern oder sogar am Boden. Foto: Christian Wiesmann/ naturgucker.de
Ein klassischer Brutplatz in einer ausgefaulten Schwarzspechthöhle. Macnhmal brütet er sogar außerhalb von Höhlen in alten Krähen- oder Bussardnestern oder sogar am Boden. Foto: Christian Wiesmann/ naturgucker.de

Als Brutplätze dienen dem flexiblen Waldkauz Höhlen in morschen Bäumen, Feldscheunen und Kirchtürmen. Mitunter brüten Waldkäuze, vor allem wenn alte, morsche Baum mit Höhlen fehlen, auf dem Waldboden oder in alten Krähennestern. Nur das Weibchen brütet und wird dabei vom Männchen mit Nahrung versorgt. Wenn die Jungen ausfliegen und als "Ästlinge" im Baum herumklettern sind die Altvögel besonders angriffslustig und können auch einen Menschen mit ihren Krallen in Haare und Augen greifen.

Eric Hosking, einer der bekanntesten Naturfotografen des vergangenen Jahrhunderts, verlor durch einen Waldkauzangriff sein linkes Auge. Dass er ein Brite war, mag man erahnen, wenn man den Titel seiner sehr erfolgreichen Biographie kennt und den hintergründigen Humor erkennt: An Eye for a Bird (Ein Auge für einen Vogel).

Bericht: Thomas Griesohn-Pflieger 01/2021