Professionelle Gräser-Bestimmung

Gräser auf der NABU Obstwiese wurden bestimmt

Gräser auf der NABU Obstwiese
Gräser auf der NABU Obstwiese. / Foto: Teresa Taborek-Weisker

Am 16. Mai 2020 fand eine Voraberkundung statt und am 26. Mai trafen sich Dr. Gunnar Gad, Brigitte Steinke und Reinhold Zimmermann, um die Gräser auf der Obstbaumwiese professionell zu bestimmen. Damit sind wir mit der Gesamterfassung der auf der Wiese vorkommenden Pflanzen einen Schritt weiter.


Die Bestimmung von Gräsern ist wesentlich schwerer als die von krautigen Pflanzen, weil ihre Blüten und andere Merkmale sehr klein sind. Ohne stärkere Lupen lässt sich nicht genug erkennen. Gräser werden generell in zwei Gruppen eingeteilt: Die Süßgräser, die sehr artenreich sind (hierzu gehören z. B. auch die Getreidearten) und die Sauergräser, die markhaltige und mehr oder weniger dreikantige Stängel aufweisen. Zur Artenbestimmung untersucht man unter anderem die Blüten- oder Fruchtstände (ob es Rispen-, Ähren- oder Ährenrispengras ist und wie die einzelnen Ährchen im Blüten- bzw. Fruchtstand angeordnet sind). Man achtet dabei auf

  • die Halme (Form, mit oder ohne Knoten)
  • die Blätter (Farbe, besondere Strukturen, Behaarung)
  • die Blattansätze (mit oder ohne Blattöhrchen oder Blatthäutchen und deren Aussehen) sowie
  • die Wuchsform (ob Ausläufer, Horste bildend oder einzeln wachsend).

Zwölf Süßgras- und zwei Sauergrasarten wurden auf der Obstwiese bestimmt. Darunter waren unter den hochwüchsigen Gräsern (sog. Oberwuchs) drei sehr dominante Arten, nämlich der Glatthafer (Arrhenatherum elatius), das wollige Honiggras (Holcus lantus) und die Taube Trespe (Bromus sterilis). Dazwischen wuchsen regelmäßig das Wiesenfuchsschwanzgras (Alopecurus pratensis) und das Wiesenknäuelgras (Dactylis glomerata). Die anderen Arten waren seltener vertreten.

 

Aufgrund der gefundenen Pflanzengesellschaft lässt sich die Wiese den Glatthafer- oder Fettwiesen zuordnen. Glatthaferwiesen waren für diese Regionen einmal typisch. Die Bezeichnung kommt von dem dominierenden Gras - dem Glatthafer. Diese Wiesen werden durch die intensive Landwirtschaft immer seltener, denn mit dem Nährstoffeintrag wandeln sie sich in artenärmere Wiesen um.

 

Glatthaferwiesen gehören zu den buntesten und auffälligsten Pflanzengesellschaften unserer Landschaften – und sie sind im Flachland mittlerweile von vollständiger Vernichtung bedroht, weswegen sie von der Floristisch Soziologischen Arbeitsgemeinschaft zur Pflanzengesellschaft des Jahres 2019 gewählt wurden. Glatthaferwiesen finden sich potenziell im gesamten Flachland Nordrhein-Westfalens, vom Westfälischen Tiefland und der Westfälischen Bucht über das Niederrheinische Tiefland bis hinein in die Niederrheinische Bucht.

 

Eine Glatthaferwiese entspricht am ehesten unserer Vorstellung einer kunterbunten Blumenwiese, mit im Wind wogenden Blütenständen von Kräutern und Gräsern, mit tanzenden Schmetterlingen und Myriaden weiterer Insekten und Wirbellosen, die diesen Lebensraum auf all seinen Stockwerken durchflattern, -krabbeln und -kriechen. Die Glatthaferwiese entspricht damit weitgehend dem Idealtypus einer „blühenden Landschaft“, wie es sich die meisten Mitbürger vorstellen.

 

Glatthaferwiesen sind so artenreich, weil sie einen mehrschichtigen Bewuchs zulassen. Der Bestand der Deckgräser in der obersten Schicht ist so locker, dass sich selbst in Bodennähe noch niedrige Untergräser wie Ruchgras, Kammgras oder Rispengras halten können. Auch kleine niedrige Kräuter können sich dort gut halten und kommen ungehindert zur Blüte. Dieser Stockwerkaufbau erinnert an den tropischen Regenwald, er ist für die Artenvielfalt der Glatthaferwiesen verantwortlich. Eine Vielzahl von Insekten ist in Glatthaferwiesen heimisch, die es für diesen Standort noch zu erfassen gibt.

 

Eine Glatthaferwiese ist eine typische Mähwiese für die Heugewinnung, unter Beweidung leidet ihre Vielfalt. Nur durch das Mähen kann sie entstehen und erhalten werden. An den meisten Standorten ist dafür eine zweifache Mahd mit anschließendem Abräumen des Mähguts nötig.

 

In der Roten Liste und Artenverzeichnis der Farn- und Blütenpflanzen in NRW, 4. Fassung Dez. 2010, findet man bezüglich Gefährdung der Arten folgender Hinweise zu einer gefundenen Art:

  • Weide-Kammgras (Cynosurus cristatus) ist auf einer Vorwarnliste

Alle im Jahr 2020 gefundenen Grasarten wurden tabellarisch erfasst. Der Grasbewuchs wird im nächsten Jahr erneut bestimmt werden. Das ermöglicht uns, die Veränderung der Obstwiese im 3. Jahr ohne Beweidung zu bewerten.

Quellen:

  1. Aichele Schwegler „Unsere Gräser“, Kosmos, 2016
  2. Bildtafel zur Gräserbestimmung, 2012, Sachsen-Anhalt, Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten, Gartenbau
  3. Artenreiche Glatthaferwiesen –LRT 6510-ein Überblick über Biozönologie, Bestand, Gefährdung und Schutz im Rheinland
  4. Bochumer Botanischer Verein
  5. Floristisch Soziologischen Arbeitsgemeinschaft
  6. Datenbank FloraWeb