Der Silberreiher

Silberreiher im deutschen Winter: woher und warum?

Silberreiher auf der Pirsch nach einem Fisch / Foto: Wolfgang Scholz - NABU Düsseldorf
Silberreiher auf der Pirsch nach einem Fisch / Foto: Wolfgang Scholz - NABU Düsseldorf

Seit Jahren nimmt die Zahl der weißen Reiher im Winterhalbjahr in unseren Breiten zu. Fast immer sind es Silberreiher, die elegant über die Wiesen schreiten, wie angenagelt auf Mäuse warten oder auf gewölbten Flügeln mit ruhigem Flug durch die Flussaue rudern. Was machen die hier? Und woher kommen sie?


Immer mehr Silberreiher besuchen Deutschland. Über ihre Herkunft herrschte lange Unklarheit und wilde Spekulationen machten die Runde. Aber dazu später mehr.

 

Silberreiher haben ein riesiges Verbreitungsgebiet und brüten nicht nur in den warmen und gemäßigten Zonen der “Alten Welt” sondern auch in beiden Amerikas. In Afrika brüten sie außerhalb der Wüstenzone und kommen auch in der Australregion und den Inselreichen Ozeaniens vor. In Europa waren sie ursprünglich nur kärglich verbreitet mit deutlichen Schwerpunkten im Südosten und dann auch im Mittelmeergebiet. Vor dem Fall des „Eisernen Vorhangs” pilgerten viele Vogelbeobachter an den Neusiedler See um dort Silberreiher, die zahlreich in der riesigen Röhricht Zone brüteten, zu sehen. Silberreiher sind ausgesprochene Bodenbrüter die im Schilfwald ihre Nester kurz über der Wasseroberfläche bauen. Außerdem, ebenfalls wichtig zu wissen, brüten sie, wie fast alle Reiher, in oft sehr kopfstarken Kolonien.


Graureiher dagegen bevorzugen hautsächlich Bäume zum Brüten. In Düsseldorf ist z. B. am Elbsee (Dreiecksweiher) ein Baumareal mit über 42 Nester.

                             Graureiher Kolonie am Dreiecksweiher - Elbsee, Düsseldorf / Foto: Wolfgang Scholz - NABU Düsseldorf


Das Federkleid des Silberreihers war als Modeschmuck sehr begehrt und zehntausende weiße Reiher, in der Mehrzahl wohl Silberreiher, mussten für die Mode ihr Leben lassen und wurden im 19. Jahrhundert auf Hüten über die Laufstege und Trottoirs getragen. Der Niedergang der Reiher war mit ein Grund dafür, dass Lina Hähnle 1899 den Bund für Vogelschutz (heute NABU) gründete. Nach diesem Aderlass erholten sich die Bestände nur langsam, denn die scheu gewordenen Großvögel konnten nur einsame, abgelegene große Schilfmeere besiedeln. Das ist heute ganz anders. An manchen Schlafplätzen finden sich im Winter viele Dutzende, manchmal mehrere hundert Vögel ein!

 Winterhart sind sie ja, aber dieser hier sieht nicht so aus, als würde er schwitzen / Foto: Wolfgang Scholz - NABU Düsseldorf
Winterhart sind sie ja, aber dieser hier sieht nicht so aus, als würde er schwitzen / Foto: Wolfgang Scholz - NABU Düsseldorf

Woher kommen nun die Reiher? Aus der Nachbarschaft sicher nicht. Denn in Deutschland ist der weiße Reiher nach wie vor nicht wirklich verbreitet. 2012 brüteten erstmals zwei Brutpaare in Deutschland, die sich in Vorpommern in einer Graureiherkolonie als, man beachte, Baumbrüter ansiedelten. In den Niederlanden und in Großbritannien gab es ebenfalls 2012 die erste Brut. Aber auch in den Niederlanden liegt der Bestand nur bei rund einhundert Paaren.

 

Die vielen Hundert Winterreiher müssen einen anderen Ursprung haben. Einen Hinweis gibt uns ein besenderter Silberreiher, dessen Reisen drei Jahre lang verfolgt werden konnten. Zur Brutzeit hielt er sich in der Ukraine auf! Aber Ringfunde liegen auch von Vögeln aus Frankreich, Polen und Ungarn vor.

 

Einen weiteren Hinweis finden wir im Birdnet dort beschreibt János Világosy den Zusammenhang von Mäusevermehrung und Reiherzunahme.

 

Wie das? Die Silberreiher (und nicht nur die!) haben gelernt in der Steppe, in Ungarn als Puszta bekannt, Mäuse zu jagen. Waren sie noch vor wenigen Jahrzehnten geduldige Jäger an Gräben, Fluss- und Seeufern, in großen Sümpfen so stolzieren sie jetzt auch über naturferne landwirtschaftliche Flächen auf der Jagd nach Kleinsäugern. Das machen sie so erfolgreich, dass ihre Bestände stark zunehmen und sie zunehmend auch die immer häufig schneefreien Wiesen und Äckern unserer Breiten besuchen. Übrigens beobachten Vogelforscher im Osten, aber nicht nur dort, dass auch Purpur-, Seiden- und sogar Nachtreiher lernen, außerhalb des schützenden Röhrichts nach Mäusen zu jagen. Eine spannende Entwicklung!

 

Man kann also annehmen, dass eine Änderung im Jagdverhalten die nahrungsökologische Nische der Silberreiher stark aufgeweitet hat und zudem der Klimawandel ihnen das Überwintern in den vom atlantischen Klima geprägten Landschaften Mittel- und Westeuropas ermöglicht. Die Zunahme der Reiherbestände, die unter anderem auf die Mäusejagd zurückzuführen sein dürfte und die guten Bedingungen, die sie hier bei uns in Mitteleuropa finden, führen zu einer Bereicherung der winterlichen, oft grauen, düsteren Landschaften mit den eleganten, hell leuchtenden, großen Reihern.

 

Übrigens, das kann man gut auch im Winterquartier bei uns beobachten, sind die Silberreiher den heimischen Graureihern überlegen. Mit betont tiefen Flügelschlägen fliegen sie “kraftmeierisch” auf den größeren Graureiher zu und vertreiben ihn von einem begehrten Jagd- oder Ruheplatz.

Ein amerikanischer Silberreiher zeigt uns, wie vielfältig der langhalsige Jäger ist. Hier hat er aus einem Schwarm von Limikolen einen Strandläufer erbeutet / Foto: Eric Fischer - naturgucker.de
Ein amerikanischer Silberreiher zeigt uns, wie vielfältig der langhalsige Jäger ist. Hier hat er aus einem Schwarm von Limikolen einen Strandläufer erbeutet / Foto: Eric Fischer - naturgucker.de

Weitere Informationen:

 

https://www.birdnet-news.de/naturwerke.dll/9oNgTnJETeYU0jchs-WvuW/$/

 

Bommer, K.-W. (2015): Nachweise ungarischer Silberreiher Casmerodius albus im nördlichen Oberschwaben 2013-2015. Ornithologische Jahreshefte für Baden-Württemberg 31: 43–53

 

Pennekamp, U., A. Buchheim, O. Geiter, A. Pennekamp & N. Ribbrock (2013): Erste Nachweise der Herkunft von in Nordrhein-Westfalen und im übrigen Nordwestdeutschland beobachteten Silberreihern Casmerodius albus. Charadrius 49: 97–102

 

Text: Thomas Griesohn-Pflieger/birdnet.de - 12/2021


Bildbeiträge von Wolfgang Scholz - NABU Düsseldorf

Silberreiher in Düsseldorf / Fotos: Wolfgang Scholz - NABU Düsseldorf - 12/2021