Pflanze des Januar

Die Gemeine Eibe (Taxus baccata)

Abb. 1  Eibe auf dem Südfriedhof
Abb. 1 Eibe auf dem Südfriedhof

Eiben faszinieren mich mit ihren verlockenden roten „Früchten“ (Abb. 2) seit meiner Kindheit. Ich konnte mir nie vorstellen, dass solch hübsche „Beeren“ giftig sein sollten. Letztes Jahr bei einer kleinen Waldführung konnte ich mein Wissen dazu auffrischen. An der Eibe ist tatsächlich alles sehr giftig – bis auf den sogenannten Samenmantel, der wie Fruchtfleisch aussieht. Da habe ich gleich einen heroischen Selbstversuch unternommen und dieses Pseudofruchtfleisch probiert. Die Kerne spuckte ich natürlich aus. Meine Kindheitsfantasien wurden übrigens nicht enttäuscht und offensichtlich lebe ich auch noch.


Abb. 2  Fleischiger Samenmantel eines reifen Samenzapfens
Abb. 2 Fleischiger Samenmantel eines reifen Samenzapfens

Die Gemeine Eibe gehört zur Familie der Eibengewächse (Taxaceae). Sie ist die einzige Ihrer Art in Europa, weshalb sie auch Europäische Eibe genannt wird. Es gibt weltweit nur wenige Eibenarten. In der Literatur variiert die Zahl zwischen Vier und Zwanzig.

 

Taxus baccata wächst bei uns natürlicherweise in Mischwäldern. Bezüglich des Bodens ist sie extrem anpassungsfähig. Da in Deutschland Buchen- und Fichtenwälder mit Bäumen einer Altersklasse dominieren, die gleichzeitig abgeholzt werden, hat die Eibe hier sozusagen ihr Zuhause verloren. Mit den Bäumen in diesen modernen Kulturwäldern kann sie nicht konkurrieren, weil sie viel zu langsam wächst. Dieser einstmals häufige Baum in unseren Wäldern hat deshalb schon lange einen Schutzstatus. In den Roten Listen Deutschlands ist die Pflanze überwiegend als gefährdet aufgeführt. Am häufigsten ist sie noch in Thüringen und Bayern zu finden.

 

In Deutschland und Österreich findet man die meisten Eiben, wenn auch häufig gezüchtet, in Gärten, Parks oder auf Friedhöfen. Da sie eine Halbschatten- bis Schattenpflanze ist, hat sie keine Probleme mit dunklen Standorten. Sie wächst dort allerdings noch langsamer. Im Gegensatz zu den anderen Nadelbäumen lässt sie sich gut „in Form“ schneiden. Sie treibt immer wieder neu aus (Abb. 5), sogar beim Stutzen des Stamms.

 

Eiben sind erdgeschichtlich betrachtet die wohl ältesten Bäume Mitteleuropas. Und sie können sehr alt werden. Einige Exemplare im deutschsprachigen Raum sollen 1000 Jahre und älter sein. 800‑Jährige hat man schon nachweisen können. Um sie nicht zu gefährden, nimmt man bei solch legendären Bäume keine Bohrproben, sondern bestimmt das Alter erst, wenn sie abgestorben sind. Eiben scheinen die Langsamkeit erfunden zu haben. Sie blühen unter optimalen Bedingungen mit ca. 20 Jahren das erste Mal. Das Dickenwachstum haben sie angeblich erst mit 200 Jahren oder sogar nie abgeschlossen.

Woran erkennt man die Eibe?

Eiben sind immergrüne Büsche oder Bäume mit nadelförmigen Blättern. Bei älteren Bäumen sind häufig mehrere Stämme zusammengewachsen. An guten Standorten wird die Europäische Eibe bis 20 Meter hoch. Wenn Sie einen Eibenzweig in die Hand nehmen, werden Sie merken, dass er relativ schlaff darin liegt. Zweige und Nadeln sind sehr biegsam.

Die Nadeln sind linealisch, häufig leicht gebogen und enden in einer derben Spitze. Die dunkelgrüne Ober- und helle Unterseite ziert eine ausgeprägte Mittelrippe (Abb. 3 und 5). Die Nadeln setzen in einer Spirale an den Zweigen an (Abb. 4 und 6), richten sich an vielen Zweigen aber so aus, dass sie zweireihig angeordnet wirken. Eibennadeln sind sehr langlebig und können viele Jahre am Zweig bleiben, weshalb man unter Eiben meist keine großen Nadelteppiche findet.

Abb. 3  Zweireihig angeordnete Nadeln mit deutlicher Mittelrippe. In den Achseln der Nadeln entwickeln sich neue Samenzapfen.
Abb. 3 Zweireihig angeordnete Nadeln mit deutlicher Mittelrippe. In den Achseln der Nadeln entwickeln sich neue Samenzapfen.
Abb. 4  Spiralförmig angeordnete Nadeln mit ausgeprägter Mittelader
Abb. 4 Spiralförmig angeordnete Nadeln mit ausgeprägter Mittelader

Eiben sind in der Regel zweihäusig, d. h. es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Die männlichen Pflanzen bilden kugelige Pollenzapfen, die weiblichen Samenzapfen (Abb. 5). Die Blüte erfolgt im Spätwinter bis Anfang des Frühjahrs. Nach der Befruchtung durch Windbestäubung entwickelt sich in den Samenzapfen je ein Samen, der nach und nach von dem fleischigen Samenmantel, dem Arillus, umwachsen wird. Dieser ist nur am Grund mit dem Samenzapfen verwachsen (Abb. 4 und 6).


Man spricht bei der Eibe nicht von einer Frucht oder Beere, weil der Samenmantel einen anderen Ursprung hat. Früchte in botanischem Sinne gibt es bei Nadelbäumen, bzw. Koniferen nicht. Die Entwicklung der Zapfen erfolgt auf andere Weise.

Abb. 5  Samenzapfen einer weiblichen Eibe vor der Blüte
Abb. 5 Samenzapfen einer weiblichen Eibe vor der Blüte

 Die rote Farbe des Samenmantels lockt besonders Drosseln an, die diesen fressen. Die Samen selber scheiden sie aus, und sorgen so für deren Verbreitung. Andere Vögel und einige Kleintiere fressen dagegen die Samenbecher, in denen die Samen sitzen, wieder andere die Samen selber. Die Giftstoffe beeinträchtigen sie offensichtlich nicht. Durch z. B. nicht wieder aufgefundene Winterverstecke beteiligen sich auch diese Tiere an der Verbreitung der Pflanzen, wenn auch indirekt.

Abb. 6  Zweig mit Samenzapfen in unterschiedlich weit entwickelten Samenmänteln.
Abb. 6 Zweig mit Samenzapfen in unterschiedlich weit entwickelten Samenmänteln.

 

Eibenstämme haben eine auffallende, rote bis braune Rinde, die abschuppt oder in Platten abfällt (Abb. 7 und 8).

 

Abb. 7 Abschuppende Rinde
Abb. 7 Abschuppende Rinde
Abb. 8 Stamm mit Rinde, die sich in Platten ablöst mit frischen Austrieben
Abb. 8 Stamm mit Rinde, die sich in Platten ablöst mit frischen Austrieben

 Das Holz der Eibe ist sehr wertvoll, wird aber wegen des langsamen Baumwachstums nur noch wenig wirtschaftlich genutzt. Und das, obwohl es extrem hart und dabei sehr elastisch ist und sehr widerstandsfähig gegen Feuchtigkeit und Fäulnis. Mit Eichenholz kann es Eibenholz diesbezüglich allemal aufnehmen. Im Mittelalter war das Holz wegen seiner Elastizität ein Exportschlager, leider für eher unrühmliche Unternehmen, nämlich Kriege. Vor der Erfindung des Schießpulvers wurde mit Pfeil und Bogen gekämpft. Die Bögen wurden und werden immer noch aus Eibenholz hergestellt. Eibenholz wird bereits seit der Jungsteinzeit für Jagdwerkzeuge verwendet. Der Gattungsname „Taxus“ spiegelt diesen Gebrauch wider. In verschiedenen Sprachen leiten sich die Wörter für Armbrust, Pfeil oder Bogen daraus ab, der Ausdruck „toxisch“ stammt vom lateinischen „toxicon“ für Gift oder Pfeilgift ab.

 

Eiben verfügen über ein tiefes und umfangreiches Wurzelsystem, weshalb sie gegen starke Niederschlagsschwankungen unempfindlich sind.

Die Eibe in der Mythologie und Heilkunde

Mich verwundert es nicht, dass Eiben in der Mythologie und Volksheilkunde eine große Rolle spielten. Einigen Völkern galten sie als heilig, anderen dienten sie als Zauber- und Hexenpflanze und im Christentum nahmen sie in der Advents- und Weihnachtszeit einmal die Rolle ein, die heute die Tannenzweige innehaben.

 

Die ehemaligen Anwendungen in der Volksheilkunde gelten heute als zu riskant. Eine falsche Dosierung kann schnell tödlich wirken. Nur in der Homöopathie wird Taxus baccata noch angewendet. In der modernen Medizin kommen jedoch einige der Giftstoffe zum Tragen. Es handelt sich dabei um das Paclitaxel aus der Rinde der Pazifischen Eibe sowie eine Substanz aus den Nadeln der Europäischen Eibe, aus der teilsynthetisch Docetaxel hergestellt wird. Beide Wirkstoffe werden als Chemotherapeutika bei bestimmten Krebsarten eingesetzt.

 

Das Lesen über den Zustand der Eiben hat mich traurig gestimmt. Wenn sich die Forstwirtschaft nicht ändert, ist mit dem Aussterben der Eiben in unseren Wäldern zu rechnen, denn es fehlt auch an den wenigen noch vorhandenen Standorten der Nachwuchs. Bei Untersuchungen hatten die Eiben in den jeweiligen Beständen mehr oder weniger das gleiche Alter – nämlich ab 80 Jahre. Hauptgrund dafür ist der Verbiss junger Pflanzen durch Rehe. Diese Tiere vertragen sehr hohe Konzentrationen der Giftstoffe und lassen keine Jungbäume hochkommen. Nur bei konsequenter und kontrollierter Einzäunung der Keimlinge und Jungpflanzen passierte dies nicht. Es muss allerdings 20 Jahre durchgehalten werden, vorher erreichen die Pflanzen die ausreichende Höhe nicht. Vielleicht löst sich das Problem in den nächsten Jahren von selber. Vor einiger Zeit habe ich gelesen, dass es in den Gebieten, die der Wolf wieder besiedelt hat, bei weitem weniger Verbiss durch Wild gibt.


 

Quellen:

Text und Fotos: Brigitte Steinke - Biologin - NABU Düsseldorf e.V. - 01/2021