Die Herbstzeitlose

Pflanze des November (Colchicum autumnale)

Abb. 1 Herbstzeitlose auf dem Südfriedhof
Abb. 1 Herbstzeitlose auf dem Südfriedhof

Der Herbst dauert zwar noch einige Wochen, doch die Blütezeit der Herbstzeitlosen geht bereits dem Ende zu. Die Bürgeler Wiesen schmückte sie vor einer Woche noch mit vielen rosa Tupfen. Wer sie das erste Mal sieht, könnte irritiert sein: Krokusse im Herbst? Bei uns? Eigenartig. Aber so sehen sie nun einmal aus. Zeitlose Heißt sie, weil sie sich mit ihrer Blatt- und Blütenentwickelung überhaupt nicht an „normale“ Zeiten hält. Alles scheint bei ihr durcheinander zu laufen.


Wer aus dem nordwestlichen NRW oder nördlich von Hannover oder Berlin kommt, kennt die Herbstzeitlose häufig gar nicht; sie macht sich oberhalb dieser Linie sehr rar, weil dort die natürliche Ausbreitungsgrenze ist. Ursprünglich ist sie in Westasien beheimatet, hat sich jedoch mit der Entwicklung der Landwirtschaft schon vor sehr langer Zeit über den Mittelmeerraum weiter nach Norden vorgearbeitet. Au- und Bruchwälder oder feuchte, nicht zu sonnige Wiesen finden Herbstzeitlose besonders attraktiv. Die Bürgeler Wiesen an der Stadtgrenze zu Monheim weisen genau diese Eigenschaften auf. Aber auch auf Kalk-Halbtrockenrasen, wie es sie z.B. in der Eifel gibt, ist die Herbstzeitlose zu finden – leider wie hier überwiegend nur noch in Naturschutzgebieten. Woanders wurde sie meist wegen ihrer Giftigkeit für Mensch und Tier ausgerottet. Aus diesem Grund gilt sie mittlerweile als gefährdet und steht fast überall in den Roten Listen. Auf dem Südfriedhof wurde sie jedoch erst kürzlich mit Erfolg neu angesiedelt (s. Abbildungen). Das hat was, denn im Volksmund heißt sie auch Leichen- oder Totenblume.

Das in den Herbstzeitlosen gebildete hochgiftige Colchicin, das die Zellteilung stört und die Chromosomen schädigen kann, ist bei Überdosierung tödlich. Solche Fälle traten durch Verwechselung mit Bärlauch auf. Die Blätter beider Pflanzen entwickeln sich im April. Bevor Sie also Bärlauch in der Natur sammeln, prüfen Sie vorsichtshalber bitte immer durch Reiben der Blätter, ob es sich tatsächlich um Bärlauch handelt. Den dabei auftretenden typischen Knoblauchgeruch weisen weder Herbstzeitlose noch Maiglöckchen, mit denen sie auch noch verwechselt werden können, auf.

 

Was ist charakteristisch für die Herbstzeitlose?

Die Pflanzen haben einige Kuriositäten zu bieten: Die blassvioletten, manchmal ins Weiße übergehenden Blüten enden in einer langen Blütenröhre, die jedoch nur teilweise oberirdisch ist (Abb. 1). Insgesamt können die Blüten so eine Länge von 25 cm und mehr erreichen. Der Fruchtknoten liegt während der Blütezeit seltsamerweise unterirdisch über der Speicherknolle. Die Blüten sind geöffnet flach ausgebreitet und lassen 6 Staubblätter (Abb.2) (Krokusse haben 3) und 3 Griffel erkennen. Einer Knolle können maximal 3 Blüten entspringen. Früher wurden die Blüten als nackt bezeichnet, weil man sie nur ohne Blätter sieht. Daher die Trivialnamen Nackte Jungfer, Nackte Hure oder im Englischen Naked Lady.

Abb. 2 Herbstzeitlose haben sechs orangene Staubblätter
Abb. 2 Herbstzeitlose haben sechs orangene Staubblätter

Die Blüten werden überwiegend von Insekten bestäubt. Es wurden Bienen, Hummeln, Wespen, Wollschweber und Schwebfliegen dabei beobachtet. Aber auch Selbstbestäubung kommt vor.

An den Nektar der Pflanzen gehen nur zwei Nachtfalter-Arten, nämlich die Gamma-Eule Autographa gamma und die Schafgarben-Silbereule Macdunnoughia confusa.

 

Nachdem Colchicum autumnale verblüht ist, ist von ihr bis zum Frühjahr oberirdisch nichts mehr zu sehen.

Im April erscheinen ganz normal die neuen Blätter. Sie sind schmal, spatelig oder spießförmig und viel länger als breit. Im Unterschied zu Bärlauch oder Maiglöckchen haben sie keine Stiele (Abb. 3). Aber auch die Samenkapsel taucht im Frühjahr auf. Samen zu bilden ist ja sonst eher ein Sommer- oder Herbstgeschäft. Die Kapsel ist grün und bauchig. Sie sitzt, ähnlich einer neu erscheinenden Tulpen-Blütenknospe, ohne Stängel in der Blattrosette. Die Samen sind im Frühsommer reif. 

Abb. 3 Blattformen von Herbstzeitlose, Bärlauch und Maiglöckchen
Abb. 3 Blattformen von Herbstzeitlose, Bärlauch und Maiglöckchen

Die ungewöhnliche Vegetationsperiode der Herbstzeitlose ist wohl auf die Herkunft der Pflanze aus sommerheißen Regionen zurückzuführen. Das Keimen von Samen ist schwierig, wenn es immer trocken und heiß ist.

Wie das im Frühjahr beschriebene Gefleckte Lungenkraut tragen die kleinen Samen fett- und stärkehaltige Anhängsel (Elaiosomen), weshalb sie von Ameisen in ihre Nestern getragen werden. Dort werden die Anhängsel als Nahrungsquelle genutzt und der Rest, also der eigentliche Samen, wieder entsorgt - ein praktischer Verbreitungsmechanismus, der das Überleben sichern hilft. Zusätzlich bilden die Knollen Tochterknollen aus. Während die Mutterknolle abstirbt, treiben die Tochterknollen im Herbst bis zu drei neue Blüten pro Knolle aus.

 

Verwendung in der Medizin und als Heilmittel

Der Samen von Colchicum autumnale wird zur Herstellung von Arzneimitteln und die Knollen in der Homöopathie genutzt. Alle Mittel sind wegen der Giftigkeit des Alkaloids Colchicin verschreibungspflichtig. In beiden Bereichen wird die Substanz z.B. bei Gicht und Herzbeutelentzündung angewendet. Ein weiteres Alkaloid aus der Pflanze, das Demecolcin, ist ein Wirkstoff in der Krebstherapie.


Text und Abbildungen: Brigitte Steinke

 

Quellen:

 

Bundesamt für Naturschutz: https://www.floraweb.de/xsql/artenhome.xsql?suchnr=1610&

Bochumer Botanischer Verein: https://botanik-bochum.de/web/pflanzenportraets.htm

R. Fitter, A. Fitter, M. Blamey, 2000: Pareys Blumenbuch, Parey Buchverlag Berlin, S. 278-279