Die Gewöhnliche oder Wilde Möhre

Pflanze des Monats Oktober (Daucus carota)

Abb. 1 Gewöhnliche Möhre am Rand einer Wildblumenwiese auf dem Südfriedhof
Abb. 1 Gewöhnliche Möhre am Rand einer Wildblumenwiese auf dem Südfriedhof

Wer sie kennt, wird sich vielleicht wundern, warum die Wilde Möhre jetzt ausgewählt wurde, weil sie bereits überwiegend verblüht ist. Der Grund ist einfach, denn sie ist nun praktisch nicht mehr mit anderen Familienmitgliedern der umfangreichen Familie der Doldenblütler (Apiaceae, früher Umbelliferae) zu verwechseln. Die Dolde bildet nämlich zur Fruchtzeit oft ein nestartiges Gebilde (Abb. 2).


Wie am Namen bereits erkennbar, sind unsere Gartenkarotten (Möhren) (Daucus carota subsp. sativa) eng mit der Wilden Möhre verwandt. Man nimmt an, dass sie durch Kreuzung verschiedener Unterarten (Subspecies) entstanden sind. Die Speicherwurzeln der heimischen Wilden Möhre sind jedoch weißlich wie die der verwandten Pastinaken. Die ansprechende Farbe wurde erst spät hineingezüchtet, angeblich von unseren orangeliebenden Nachbarn, den Niederländern. Möhren werden nachweislich seit 1600 Jahren verspeist, wahrscheinlich noch sehr viel länger. Alle Pflanzenbestandteile sind essbar. Die Wurzel ist erst im zweiten Jahr erntereif. Gehen Sie sicher, dass es sich bei der Ernte wirklich um eine Wilde Möhre handelt, zum Beispiel am typischen Möhrengeruch der Blätter. Eine Verwechslung kann ggf. tödlich enden.

Die Verbreitung von Daucus carota reicht natürlicherweise von den Azoren im Westen bis Zentralasien im Osten im Süden bis Nordafrika. Bezüglich des Standortes ist sie anspruchslos, bevorzugt jedoch wärmeres, offenes Gelände. Man findet sie selten allein.

 

Abb. 2a/b Typische, halb und ganz geschlossene, nestartige Fruchtstände der Wilden Möhre
Abb. 2a/b Typische, halb und ganz geschlossene, nestartige Fruchtstände der Wilden Möhre

Woran erkennt man die Wilde Möhre sonst noch?

 

Die Pflanzen blühen von Juni bis Ende September. Ihre Dolde ist zur Blütezeit relativ flach und hat viele Strahlen, auf denen je eine kleinere Dolde mit den Blüten sitzt (Abb. 3). Im Zentrum befindet sich häufig eine charakteristische schwarzpurpurne, sterile Blüte, die Bestäuber-Insekten anlocken soll. Die Blüten sind nektarführende Scheibenblumen. Meist finden sich männliche und zwittrige Blüten auf einer Pflanze, es sind jedoch verschiedenste Konstellationen möglich. Im Dunkeln schließen sich die Dolden wie die geschlossenen Fruchtstände. 

 

Abb. 3 Die Dolde der Gewöhnlichen Möhre besteht aus mehreren kleineren Dolden, auf deren kleinen Strahlen die Blüten sitzen.
Abb. 3 Die Dolde der Gewöhnlichen Möhre besteht aus mehreren kleineren Dolden, auf deren kleinen Strahlen die Blüten sitzen.

Die Pollen werden gerne von einigen Sandbienen-Arten (Andrena spec.) genommen. Bestäuber sind meist Fliegen inkl. Schwebfliegen und Käfer, jedoch auch mittelrüsselige Bienen und Wespen.

 

Die Hüllblätter, das sind die, die sich direkt unter der Dolde und den Döldchen befinden, sind 3-teilig oder gefiedert (Abb. 3). Sie sind für Doldenblütler ziemlich groß. Die Blätter sind zweifach gefiedert. Sie ähneln denen der Zuchtformen (Abb. 4).

 

Die Pflanzen werden von einigen Nachtfalterraupen als Nahrungsquelle genutzt. Von den Tagfaltern saugt nur das Landkärtchen (Araschnia levana) den Nektar.

 

Abb. 4 Der verzweigte Stängel hat Rillen und ist borstig behaart. Die Blätter sind doppelt gefiedert.
Abb. 4 Der verzweigte Stängel hat Rillen und ist borstig behaart. Die Blätter sind doppelt gefiedert.

Die Pflanzen werden 20-100 cm hoch und sind immergrün. Sie sind zwei- bis fünfjährig; d. h. sie blühen erst im zweiten bis fünften Jahr (generative Phase). Die Stängel sind gerillt und borstig behaart (Abb. 4); Verzweigungen sind die Regel.

 

Die Früchte ähneln kleinen Rund-Haarbürsten (Abb. 5). Es handelt sich um sogenannte Spaltfrüchte; d. h., sie zerfallen bei der Reife in je vier Teilfrüchte. Durch deren vier Stachelreihen können sie leicht vom Wind oder von Tieren fortgetragen werden. Nach der Samenbildung hat die Pflanze ihr Lebenswerk vollendet und verwelkt.

 

Abb. 5. Die Spaltfrüchte sind mit 4 Stachelreihen pro Teilfrucht versehen.
Abb. 5. Die Spaltfrüchte sind mit 4 Stachelreihen pro Teilfrucht versehen.

Den Winter übersteht die Wilde Möhre mit Hilfe von Überdauerungsknospen an Sprossachsen.

 

Verwendung als Heilmittel

 

Das Öl aus den Samen von Dauca carotis ist Phenol- und Flavonoid-haltig. In einer wissenschaftlichen Studie wurde es als antioxidativ und leberschützend bewertet. In der Volksheilkunde wird ein Tee aus dem Kraut oder den Samen als harndurchspülend beschrieben. Karottensuppe soll Durchfall mindern. 


Quellen:

 

R. Fitter, A. Fitter, M. Blamey, 2000: Pareys Blumenbuch, Parey Buchverlag Berlin, S. 250-251

Bundesamt für Naturschutz: FloraWeb - Artinformation

Studie zur Wirksamkeit des Öls: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25856705/

Genaust H. 1996: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. Springer Basel AG, S. 51

 

Text und Fotos: Brigitte Steinke – Biologin - NABU