Europäische Stechpalme, Hülse, Ilex

Ilex aquifolium

Abb. 1 Habitus eines Ilex aquifolium in Baumform
Abb. 1 Habitus eines Ilex aquifolium in Baumform

Wie die Eibe mit ihren roten Samenmänteln ist auch der Ilex mit seinen roten Früchten ein Weihnachtssymbol; und das schon seit dem Mittelalter. Zeit also, sich ihm ein wenig zu widmen.


Unter der Gattung der Stechpalmen ist der Ilex ist die einzige in Mitteleuropa heimische Art. Er wächst überwiegend in der Strauchschicht geschlossener Laub- und Nadelwälder. Er kann sich strauchig oder baumartig entwickeln und erreicht Höhen bis zu 10 Metern. Was Licht anbetrifft, ist er genügsam. Abrupte Änderungen der Lichtverhältnisse nimmt er allerdings übel. Klimabedingt verläuft im östlichen NRW die östliche Ausbreitungsgrenze. Ilex aquifolium mag keine kalten Winter.

 

Falls Sie sich einen Ilex für Ihren Garten zugelegt haben und meinen, dass mit ihm etwas nicht stimmt, weil er einfach keine Beeren bekommt, seien Sie beruhigt. Wahrscheinlich stimmt alles mit ihm und Sie haben nur ein männliches Exemplar erwischt. Stehpalmen sind wie die Eiben zweihäusig, d.h., es gibt rein männliche und rein weibliche Bäume. Früchte können nur die weiblichen Pflanzen entwickeln.

 

Woran erkennt man Ilex aquifolium?

Die Europäische Stechpalme hat einige besondere Merkmale, weshalb sie leicht zu erkennen ist: Sie ist ein immergrüner Strauch bzw. Laubbaum. Immergrüne Bäume gibt es bei uns sonst nur bei Nadelhölzern. Und welcher andere Baum oder Strauch hat zum Beispiel solch imposante, stachelige Blätter zu bieten – und dann noch gewellte (Abb. 2)? Die Artbezeichnung „aquifolium“ spiegelt dieses Phänomen wider. Sie bedeutet Nadelblatt. Nun ja, wer nicht gefressen werden möchte, muss sich eben etwas einfallen lassen – in diesem Fall ein ledriges Blatt mit Nadeln; mit seiner glänzenden Oberfläche trotzdem ganz attraktiv.

Abb. 2 In Fraßhöhe sind die Blätter der Europäischen Stechpalme stachelig.
Abb. 2 In Fraßhöhe sind die Blätter der Europäischen Stechpalme stachelig.

Wo kein einheimisches Säugetier mehr drankommt, braucht man diesen Aufwand auch nicht mehr zu betreiben. Das heißt, je höher man schaut, desto weniger Stacheln sieht man an den Blättern. Manchmal passiert dies auch an einem einzelnen Zweig; die an der Spitze befindlichen, exponierten Blätter haben viele Stacheln, weiter zum Stamm hin nehmen sie ab (Abb. 3). Man nennt solche Blattvarianten Heterophyllie. Es gibt sie unter den Stechpalmen nur bei der Europäischen Stechpalme.

Abb. 3 An diesem Ilex-Zweig ist die sogenannte Heterophyllie gut zu erkennen.
Abb. 3 An diesem Ilex-Zweig ist die sogenannte Heterophyllie gut zu erkennen.

Geht es noch höher hinauf, finden sich nur noch glattrandige Blätter (Abb. 4). 

Abb. 4 Oben im Baum sind die Blätter meist stachellos.
Abb. 4 Oben im Baum sind die Blätter meist stachellos.

Einen gewissen Fraßschutz bietet auch die Giftigkeit der gesamten Ilex-Pflanzen für viele Tiere inklusive dem Menschen. Einige Wiederkäuer kommen aber wohl ganz gut damit zurecht, denn in einigen Ländern wurden die stachellosen Blätter als Winterfutter für Schafe und Rinder genutzt. Auch der Raupe des Blausiebs (Zeuzera pyrina), einer Nachtfalterart, kann das Gift nichts anhaben. Sie frisst in dünnen Zweigen verschiedener Bäume, darunter auch vom Ilex. 

 

Ilex aquifolium blüht von Mai bis Ende Juni. Die Blüten sind relativ unscheinbar. Die männlichen besitzen vier Staubgefäße und einen rudimentären bräunlichen Fruchtknoten (Abb. 5). Die weiblichen sehen ähnlich aus, vor allem weil auch sie rudimentäre Staubblätter haben können. Die haben ihre Funktion jedoch eingebüßt und sind anscheinend ein Relikt aus Zeiten, in denen der Ilex einmal zwittrig war. Erkennbar sind die weiblichen Blüten an dem relativ großen grünen Fruchtknoten, der sich über den Blütenblättern befindet.

Abb. 5 Blütenstand von Ilex aquifolium aus männlichen Blüten
Abb. 5 Blütenstand von Ilex aquifolium aus männlichen Blüten

Die Blüten werden durch Käfer, Fliegen, Schwebfliegen, Wespen oder mittelrüsselige Bienen bestäubt. Viel Nektar bieten sie nicht.

 

Die befruchteten Blüten bilden ein- bis dreisamige, rote Steinfrüchte aus (Abb. 4). Sie werden von einigen Vögeln gefressen, allerdings nur nach mehreren Frösten und bei Mangel an anderer Nahrung. Die Kerne werden ausgeschieden und bleiben keimfähig.

 

Aberglaube und Glaube

Als heidnischer Brauch von der Katholischen Kirche lange abgelehnt, mutierte die Verwendung von Stechpalmenzweigen schließlich zu einem festen Brauch in der Kirche. Da die Gläubigen nicht davon ablassen wollten, die Zweige um die Wintersonnenwende als Lockmittel für gute und Schutzmittel gegen böse Geister zu nutzen, wurde die Pflanze zur Symbolpflanze für Jesus Christus umgewidmet: Die Beeren sollen die Blutstropfen darstellen, das Blattgrün die Hoffnung und die Stacheln der Blätter die Dornenkrone. Stechpalme wird der Ilex genannt, weil die Zweige Palmsonntag als Palmenersatz verwendet werden.

 

Durch die Weihnachtsbräuche stand der Ilex in NRW Anfang des letzten Jahrhunderts in einigen Regionen kurz vor der Ausrottung. Gesetzliche Maßnahmen konnten es dann doch noch verhindern.

 

Der Ilex ist dieses Jahr Baum des Jahres. Freuen wir uns, dass es ihn noch gibt.


Text und Fotos: Brigitte Steinke